Grossratspräsidium 2007/2008

Grossratspräsidium 2007/08

Ansprachen und Rückblick auf die Präsidialzeit

Ansprache an den Grossen Rat: Meine Antrittsrede

Mittwoch, 7. Februar 2007 – Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Statthalter, liebe Ratskolleginnen und –kollegen, Frau Regierungsratspräsidentin, liebe Mitglieder des Regierungsrates, liebe Gäste auf der Tribüne,
im Januar haben Sie mich zur Grossratspräsidentin gewählt: Hier sitze ich nun also, ganz zuoberst, und möchte mich als erstes – auch im Namen meiner Fraktion – für Ihr Vertrauen bedanken.
Ich freue mich auf diese Herausforderung und versichere Ihnen, diese bedeutende und ehrenvolle Aufgabe mit Sorgfalt, viel Energie und Enthusiasmus nach bestem Wissen und vorhandenen Kräften wahrzunehmen. Ihnen allen stehe ich selbstverständlich im Rahmen der Leitung unserer Ratsarbeit als Gesprächspartnerin stets zur Verfügung.
Lassen Sie uns das zweite Amtsjahr seit Inkrafttreten der neuen Verfassung im Jahre 2006 gemeinsam mit der notwendigen Fairness und Gelassenheit angehen.
Als Parlamentarierinnen und Parlamentarier sollen Sie sich engagiert für Ihre Anliegen einsetzen und politische Differenzen nicht unter den Teppich kehren, der Umgang miteinander sollte jedoch immer von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet sein.
An dieser Stelle möchte ich meinem Vorgänger Andreas Burckhardt, danken. Er hat die Geschäfte des Grossen Rates im letzten Jahr juristisch versiert, äusserst eloquent und souverän geführt. Er hat die Ratsmitglieder immer wieder einmal auf die hausinternen Gepflogenheiten aufmerksam gemacht – auch machen müssen – manchmal streng, meist humorvoll.
Besonders beeindruckt hat mich neben seiner Ratsführung, wie Andreas Burckhardt unser Parlament und seine Arbeit in der Öffentlichkeit dargestellt hat – inhaltlich, aber auch rein vom Umfang seiner öffentlichen Präsenz her gesehen. Gerade an Wirtschaftsanlässen hat er unermüdlich auf die Wichtigkeit der gegenseitigen Unterstützung und Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik hingewiesen.
Unsere persönliche Zusammenarbeit war von einer kollegialen, offenen und freundschaftlichen Atmosphäre geprägt. So werde ich gern an mein Amtsjahr als Statthalterin zurückdenken.
Mein grösstes Dankeschön geht – auch vorausschauend – an meinen Lebenspartner Klaus Hubmann, der mich stets mit grossem Verständnis und viel Geduld unterstützt hat und bestimmt auch weiter unterstützen wird, so dass ich nun auch mein Engagement als Präsidentin wahrnehmen kann.

Gut. In meiner nun folgenden Antrittsrede möchte ich weniger auf konkrete lokale, baslerische Verhältnisse eingehen. Vielmehr möchte ich mit Ihnen ein paar Gedanken über den Hintergrund unserer parlamentarischen Arbeit aus einer globaleren Perspektive teilen. In den letzten Monaten wurden drei sehr unterschiedliche Berichte zu Stadt, Klima und Staatskundewissen veröffentlicht, die uns unter dem Aspekt «Urbanität und Partizipation» sehr zu denken geben sollten: Es handelt sich um den UNO-Habitat-Bericht «State of the World’s Cities»(1), den aktuellen Klimabericht der Vereinten Nationen und eine Studie über das politische Wissen von Schweizer Jugendlichen.
Laut dem Städtebericht der UNO wird im Verlauf dieses Jahres bereits jeder zweite Mensch in einer Stadt leben. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, mussten die Forscherinnen und Forscher sogar einen neuen Begriff erfinden: Den, der so genannten Über-Stadt, englisch «Metacity». In den Siebzigerjahren hatte die UNO noch den Begriff Megacity eingeführt. Dieser stand zunächst für Städte mit mehr als fünf, dann mehr als acht, heute für Städte mit über zehn Millionen Einwohnern. Zu den Metacities hingegen zählen nur Städte mit mehr als 20 Millionen Einwohnern – das sind dreimal so viele Menschen, wie in der Schweiz insgesamt wohnen.
Die Stadt ist die Lebensform der Moderne. Landluft macht eigen, Stadtluft macht frei, lautet ein geflügeltes Wort – bereits im europäischen Mittelalter waren die Zusammenballungen Keimzellen des Fortschritts. Hier sprossen Handel, Kultur, Handwerk und Technologie, in den Städten emanzipierte sich das Bürgertum von der Unterdrückung durch Klerus und Adel. Gleichwohl blieb die Stadt als Siedlungsform bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ein Minderheitenphänomen. Dies ändert sich nun im Jahre 2007. Von diesem Jahr an lebt eine Mehrheit der Menschen in Städten.
«Die Globalisierung macht aus dem 21. Jahrhundert ein Jahrhundert der Städte», schreibt die verantwortliche UNO-Direktorin Anna Tibaijuka. Neu im Habitat-Bericht ist deshalb auch: Landflucht und Verstädterung, die umwelt- und entwicklungspolitisch früher als Wurzeln allen Übels galten, werden heute wertfrei als unabwendbar hingenommen.(2) Diese Entwicklung zu stoppen oder gar umzukehren, ist kein Thema mehr. Wurde der urbane Raum unter hygienischen Aspekten oft als problematisch und gar gefährlich verschrien, verspricht er heute grössere Nachhaltigkeit als der suburbane, pseudo-ländliche Raum, der von nicht enden wollenden bebauten Flächen geprägt ist. Angesichts der Veröffentlichung des aktuellen Klimaberichtes der UNO (3) über den schlechten Zustand des Weltklimas von letzter Woche gibt es zumindest einen wesentlichen Pluspunkt zu verzeichnen. So könnte, unter dem Aspekt der besseren Ressourcensteuerung, die zunehmende Urbanisierung ein möglicher Lichtblick sein.
Fragen der Stadt- und Siedlungsentwicklung haben eine herausragende entwicklungspolitische Bedeutung. Städte sind Motoren der Entwicklung. Knapp 60% des Bruttosozialprodukts und 80% des wirtschaftlichen Wachstums werden in Städten erzeugt. In einer zunehmend städtischen Welt besteht eine der zentralen politischen Aufgaben darin, die in der Stadtentwicklung liegenden Potenziale zu fördern und gleichzeitig den wachsenden sozialen Spannungen, Umweltproblemen und Herausforderungen der unzureichenden Infrastrukturausstattung zu begegnen.
Auch in unserer Region hat sich einiges hinsichtlich der Siedlungsweise verändert. Das ETH-Studio Basel spricht dabei von Basel als Teil einer Metropolitanregion.(4) Metopolitanregionen sind städtische Ballungszentren mit einer starken internationalen Vernetzung und Ausstrahlung. Sie werden daran gemessen, wie stark sie globale Netzwerke im Bereich Handel und Produktion, Finanzströme, kulturelle und soziale Netzwerke bündeln. Charakteristische Merkmale sind ihre hohe ökonomische, kulturelle und soziale Komplexität. Diese Netzwerke sind typischerweise grenzüberschreitend – im Falle von Basel und Genf überschreiten sie nicht nur kantonale, sondern auch nationale Grenzen. In der Schweiz zeichnen sich alle drei Metropolitanregionen durch ausgeprägte ökonomische Spezialisierungen aus: Zürich durch den Finanzplatz, Genf beherbergt die Luxusgüterproduktion, während die Metropolitanregion Basel ein starkes chemisch-pharmazeutisches – Neudeutsch: «Lifesciences» – Standbein aufweist.
Gemessen an Topografie, Siedlung, Wirtschaft, Pendler- und Urbanisationszonen sowie Regionalverkehr muss der Raum Basel-Mulhouse-Strasbourg bis nach Frankfurt als polyzentrischer urbaner Grossraum beschrieben werden. Trotz politischer, kultureller und geologischer Unterschiede bilden die übergreifenden Netzwerke eine Einheit. Staatsgrenzen sind dabei nicht relevant. Zwischen Basel und Mulhouse ist bereits eine durchgängig suburbane Zone entstanden, die sich in Richtung Colmar und Freiburg entwickelt.
Was fehlt, ist das verbindende politische Netzwerk, die gleichberechtigte demokratische Partizipation und Mitsprache der Menschen in diesem Gebiet. Drei Länder, drei verschiedene politische Systeme – Sie kennen es. Gerade in Fragen der Stadtentwicklung zeigen sich auch die Schwächen solcher primär national (oder auch kantonal und kommunal) ausgerichteter Strukturen. Städte lassen sich zwar nicht mehr planen wie zuvor, besonders nicht in staatspolitisch zerstückelten Gebieten wie der oberrheinischen Metropolitanregion. Aber es ist Aufgabe der Politik, diese Realitäten wieder neu zu verknüpfen und demokratische Partizipation neu zu organisieren.
Städte sind die Orte der Differenz. Städte, so der Soziologe Simmel, ziehen Differenzen sogar an – die Differenz der Lebensstile, der unterschiedlichen Lebensziele und der unterschiedlichen sozio-ökonomischen Positionen. Die Anonymität verspricht Freiheit und zieht vor allem Menschen an, die sich auf der Suche nach neuen Möglichkeiten befinden. Die Stadt ist gleichzeitig indifferent gegenüber der Differenz. Die Differenz ist die Normalität. Urbanität ist Vielfalt, Freiheit, gesicherte Rechte, Zugang zu Ressourcen.
Von grosser Bedeutung für die Prosperität von Städten ist, dass sich die unterschiedlichen Kulturen, Mentalitäten nicht gegeneinander abkapseln, sondern sich gegenseitig anerkennen, interagieren und auf diese Weise kreativ und erfolgreich werden. Innovative und kreative Berufszweige machen bezeichnenderweise in Stadtgebieten um die 30 Prozent aus.
Akzeptieren, dass man in einer plurikulturellen Gesellschaft lebt, in welcher Differenz die Norm ist, heisst aber auch, einen Weg zu finden, wie mit Differenzen oder unterschiedlichen Ressourcen umgegangen werden kann.
Die Teilhabe an demokratischen Prozessen ist ein unverzichtbares Element liberaler Gesellschaften. Wichtig ist dabei, dass alle Anwesenden miteinbezogen werden. Folgende Entwicklungen sind dazu allerdings gegenläufig: Die Migrationsbevölkerung wird neuerdings in «erwünscht» und «unerwünscht» unterteilt. Auf der einen Seite werden Menschen mit ausreichend sozialem, ökonomischem und symbolischem Kapital aufgefordert zuzuwandern. Ihnen wird die Integrationsfrage nicht gestellt. Auf der anderen, der unerwünschten Seite, stehen Menschen, bei denen Integrationsnachteile vermutet werden. Es handelt sich um Menschen, die meist sozial unterprivilegierten Schichten angehören. Die Integrationskonzepte werden zwar zunehmend von der Identitätsforderung entrümpelt, wie dies noch bei der Assimilations- und Multikulturalismusdebatte gang und gäbe war. Die Wahrnehmungsänderung findet aber vor allem gegenüber den Niedergelassenen statt, die jetzt als willkommene Mitbürger angeschaut werden.
Die Öffnung bezieht sich deshalb mehrheitlich auf Zugewanderte aus westeuropäischen Staaten und weniger auf Menschen aus den übrigen Ländern. Die symbolischen Grenzen haben sich verschoben: Die «Südländer», die vor nicht allzu langer Zeit zu den «kulturell Anderen» gehörten, geniessen heute breite Akzeptanz, während «Afrikaner», «Balkanesen» und «Muslime» oftmals starke Abwehrreflexe auslösen.
Diese Entwicklung führt zur Spaltung der Städte – einer Spaltung der Gesellschaft. Wir stehen vor einer Zunahme ganzer Schichten, denen es nicht mehr gelingt, sich auf demokratischem Wege Gehör zu verschaffen. Um eine Spaltung in der Bevölkerung zu verhindern, ist es wichtig, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner wirklich partizipieren – aktiv am politischen und gesellschaftlichen Geschehen teilhaben, denn andere können nicht für sie sprechen. BürgerInnenbeteiligung, demokratische Partizipation, die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, sind nicht nur für den Aufbau von Zugehörigkeit wichtig, sondern auch für den Erhalt des Systems an und für sich: Sie sind deren politische Legitimation.
Aber: Immer weniger Bewohnerinnen und Bewohner sind stimm- und wahlberechtigt. In Basel haben zurzeit nur 69% der Einwohnerinnen und Einwohner einen Schweizer Pass, also etwas mehr als zwei Drittel. Immer mehr ältere Menschen bestimmen über das Schicksal der Jüngeren. Um einen demografischen Ausgleich zu erzielen, reicht es nicht, die Stimmrechts-Altersgrenze um zwei Jahre zu senken: Es muss vor allem darum gehen, die 30% der Bewohnerinnen und Bewohner, die schon seit Jahrzehnten in unserer Stadt wohnen und Steuern bezahlen, am System zu beteiligen. Der Einbezug dieser Menschen ist wichtig. Verschiedene Gemeinden in der Westschweiz haben seit längerem, Neuenburg seit über 150 Jahren, Erfahrung mit der Stimmbeteiligung von Nicht-Schweizern. Ausländerinnen und Ausländer sind weder die fleissigeren Stimmenden, noch verteilen sie sich im Parteienspektrum wesentlich anders als ihre schweizerischen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner. Grundlegend ist jedoch, dass sie den Altersdurchschnitt der Stimm- und Wahlbevölkerung drastisch zu senken vermögen. Positiv ist nicht zuletzt auch der Integrationseffekt.
Prosperität, sozialer Friede und Zusammenhalt der Bevölkerung liegen vor allem in einem identitätsstiftenden politischen Verständnis. Es ist unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker, Lösungen und Wege zu finden, adäquate Partizipationsstrukturen zu adaptieren oder zu entwickeln. Dies liegt in unserem ureigenen Interesse.
Doch ist unser politisches System nicht nur durch den schwindenden Prozentsatz von Wahl- und Stimmberechtigten gefährdet, sondern auch durch die mangelnden staatsbürgerlichen Kenntnisse, welche die Mitglieder unserer Gesellschaft an den Tag legen. Kürzlich führte die Pädagogische Hochschule Bern eine Studie über das politische Wissen von Jugendlichen in den Kantonen Bern, Zürich und Aargau durch (5). 1500 Schülerinnen und Schüler wurden befragt. Die damit repräsentative Studie hat erschütternde Resultate zu Tage befördert: 70% der 15-Jährigen waren der Ansicht, der Bundesrat entscheide darüber, ob ein Referendum angenommen wird oder nicht. Nur 10% wussten, dass die Legislative auf nationaler Ebene «Vereinigte Bundesversammlung» und nicht «Tagsatzung» heisst. Für Basel sähe das Resultat wohl kaum anders aus. Ob jetzt der Staatskundeunterricht zu spät im Lehrplan verankert ist oder die Verantwortung einzig bei den Lehrkräften liegt, ist dabei irrelevant. Relevant sind sicherlich das Resultat und dessen Folgen, die Sie - so nehme ich an - aus eigener Erfahrung bestätigen können. Auch erwachsene Stimm- und Wahlberechtigte mit abgeschlossener Ausbildung stellen manchmal staatspolitische Fragen, die einen, gelinde gesagt, erstaunen.
Es ist an uns dafür zu sorgen, dass eine breite Öffentlichkeit wieder mit in die Diskussion einbezogen wird und vor allem die Jüngeren einen Zugang zum politischen System finden; sei es durch Vorbilder, sei es über die Schwerpunktsetzung im Lehrplan der Schulen, sei es über Finanzierung angemessener Programme und Lehrmittel.
Hiermit komme ich zum Schluss meiner Überlegungen über notwendige Veränderung im urbanen Kontext respektive der Umsetzung angemessener partizipativer Strukturen – in räumlicher, spezifisch städtischer und bildungspolitischer Hinsicht.
Erlauben Sie mir als Präsidentin noch ein paar Worte zum Gender-Aspekt und zur Partizipation in diesem Hause. Wie Sie auf meiner Einladungskarte zum Apéro heute Abend ersehen konnten, wurden im Zeitraum der ersten Verfassung des Kantons Basel-Stadt von 1875 bis 2006 fünf von 132 Präsidien von Frauen ausgeübt. Dies ergibt einen Anteil von 3,8% - was mir ein sehr bescheidenes Resultat zu sein scheint. Dies sind jedoch Tempi passati, wenn wir die Zahlen der neuen Verfassungsperiode zum Vergleich heranziehen. Heute schauen wir auf ein ausgewogenes 50 Prozent-Verhältnis zwischen Präsidenten und Präsidentinnen zurück. Ich kann nur sagen: weiter so! ...
... Und schliesse meine Ausführungen mit dem Wunsch, dass wir Politikerinnen und Politiker uns in unseren Entscheidungen etwas mehr von zukunftsgerichteten Ideen und Überlegungen leiten lassen und auch der langfristigen Planung unseres Kantons entsprechendes Gewicht beimessen. Wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind aufgerufen, mit Weitsicht unsere Verantwortung für die Zukunft Basels zu tragen.
Ich wünsche Ihnen beziehungsweise uns allen ein persönlich erfolgreiches und angeregtes Ratsjahr. In diesem Sinne erkläre ich das zweite Amtsjahr seit Inkrafttreten der neuen Verfassung von 2006 als eröffnet.

Erwähnte Berichte und Studien:
1 «State of the Worlds Cities 2006/07» ed. by UN-HABITAT 2006 2 «Riesen-Städte wuchern rasant» Spiegel-online-Bericht vom 11.7.2006
2 «Climate Change 2007» The IPCC 4th Assessment Report: www.ipcc.ch/
3 «Die Schweiz. Ein städtebauliches Portrait», Hrsg. Diener et al./ ETH Studio Basel, Institut Stadt und Gegenwart. Bd. 1 - 4. Basel, 2006
4 Schlussbericht des Projektes «Geschichte und Politik im Unterricht» der Lehrerbildungsinstitutionen der Kantone BE, AG und ZH, Kooperation: Kanton und Universität Bern, LLB S1, Dr. Daniel Moser, Pädagogische Hochschule Aargau, Peter Gautschi, Universität Zürich, Pädagog. Institut, Prof. Dr. Kurt Reusser, Pädagogische Hochschule Zürich.

Schlussrede als Präsidentin des Grossen Rates des Kantons Basel–Stadt
2007/08

23. Januar 2008
Herr Statthalter, liebe Ratskolleginnen und -kollegen, Frau Regierungsratspräsidentin, liebe Mitglieder des Regierungsrates, liebe Gäste auf der Tribüne und an den Computerbildschirmen zu Hause oder im Büro

Mit der heutigen Sitzung geht das zweite Amtsjahr der 1. Legislaturperiode seit der Revision unserer Verfassung im Jahre 2006 zu Ende. Ein Jahr lang hatte ich die Ehre, für die Ratsführung verantwortlich zu sein, den Parlamentsbetrieb vorzubereiten, zu koordinieren und zu führen. Es freut mich, dass ich dem Präsidium mit seinen repräsentativen Aufgaben auch ein neues – und wieder einmal weibliches – Gesicht geben konnte. Ich danke Ihnen, dass Sie mir mit Ihrer Wahl vor einem Jahr die Gelegenheit dazu gegeben haben.
Ich habe dieses Amt gerne und mit Freude wahrgenommen und hoffe, dass ich die meisten Ihrer Erwartungen erfüllen habe. Ich habe bereits die Neujahrsansprache im Historischen Museum Basel zum Anlass genommen, über die aktuell bevorstehenden Herausforderungen zu sprechen – das sind in erster Linie die Grossratswahlen im Herbst und die Verkleinerung des Grossen Rates respektive die zu erwartenden Auswirkungen auf Fraktionen und uns selbst. Die heutige Schlussrede gibt mir nun die Gelegenheit, noch einmal auf entscheidende Geschäfte des vergangenen Jahres zurückzublicken und eine Tour d’Horizon über die getane Arbeit zu geben.
Es ist ein Rückblick auf ein ebenso ereignisreiches wie gewichtiges und vor allem erfreulich erfolgreiches Jahr. Wir haben im Amtsjahr 2007/08 zusammen wohl mit die komplexesten Geschäfte dieser Legislatur bearbeitet – Geschäfte, die für unsere mittelfristige Zukunft von zentraler Bedeutung sind: Dazu gehört das Integrationsgesetz, welches das Zusammenleben in unserer Stadt verbessern soll. Ein gewichtiger Brocken war die Verabschiedung des neuen Pensionskassengesetzes, das die Altersvorsorge eines nicht unbedeutenden Teils unserer Bevölkerung sichert. Und schliesslich gilt es das neue Steuergesetz zu erwähnen, von dem wir alle profitieren werden. Auf alle drei Geschäfte dürfen wir durchaus stolz sein – stolz darauf, dass wir es als Parlament geschafft haben, mehrheitsfähige und zugleich auch inhaltlich überzeugende Lösungen zu finden. Erinnern wir uns: An einer Monstersitzung im März haben wir über das Integrationsgesetz debattiert. In der April-Sitzung haben Sie in zweiter Lesung der Gesetzesvorlage zugestimmt und damit ein kantonales Integrationsgesetz zur Integrationsförderung und Chancengleichheit für Ausländerinnen und Ausländer geschaffen, das weit über unsere Kantonsgrenzen hinaus Vorbildcharakter hat. Dem Gesetz liegt ein partnerschaftlicher Entwurf der Regierungen von Basel-Stadt und Basel-Landschaft zugrunde. Bedauerlicherweise wählten die vorberatenden Kommissionen im Verlauf der Grosser Rat des Kantons Basel-Stadt weiteren Gesetzgebung dann aber unterschiedliche Wege. Zudem wissen wir auch, dass eine Integration dann gelungen ist, wenn sie nicht nur auf kultureller und sozialer sondern auch auf politischer Ebene stattgefunden hat oder stattfinden kann.
Noch vor der Sommerpause erwartete den Grossen Rat dann das knifflige Geschäft der Totalrevision des Pensionskassengesetzes. Auch hier bewiesen alle Beteiligten – die Personalverbände über den Regierungsrat bis hin zu den verschiedenen politischen Fraktionen im Grossen Rat – die Bereitschaft, zugunsten einer tragfähigen Lösung über den eigenen Schatten zu springen. Mit dem Entscheid des Grossen Rates wurde es der Pensionskasse Basel-Stadt möglich, das neue Pensionskassengesetz auf den 1. Januar 2008 einzuführen.
Nebst gewichtigen Planungsgeschäften wie der Verlegung des St. Johann-Hafens oder dem Planungskredit für den Dreispitz, behandelten wir zu guter Letzt auch  noch das neue Steuergesetz. Das vom Regierungsrat sorgfältig vorbereitete Steuerpaket wurde im Rat intensiv debattiert und schliesslich verabschiedet. Es sieht eine wesentliche und sozial abgewogene Senkung der Einkommens-, Gewinn- und Immobiliensteuern vor.
Für einige unter Ihnen und die nahe Zukunft von zentraler Bedeutung war sicher auch die Zustimmung zum Kredit für die Durchführung der Fussball-Europameisterschaften 2008 in der Region Basel. Einen Kredit von 20 Millionen Franken beantragte der Regierungsrat für die Planung, Organisation und Durchführung der EURO 2008 vor Ort. Nach Abzug von Erträgen und Abgeltungen wird die Hälfte dieses Betrags für den Kanton Basel-Stadt als Nettobelastung bleiben. Hoffen wir, dass dieses Geld gut eingesetzt ist und wir im Sommer ein Fussballfest feiern können, das auch uns Einwohnerinnen und Einwohnern hier in Basel so etwas wie einen «Mehrwert» übrig lässt. Ich denke, dass die Vorfreude auf dieses grosse Ereignis noch ein kleines bisschen Beistand braucht.
Für den parlamentarischen Betrieb ist sicher die Zustimmung zu den Live-Übertragungen unserer Sitzungen von zentraler Bedeutung. Als erstes kantonales Parlament der Schweiz verbreitet der Grosse Rat seine Sitzungen als Live-Stream im Internet. Via World Wide Web kann nun die ganze vernetzte Welt unsere Sitzungen live mit verfolgen. Neben der Transparenz haben Sie sich damit zu einem niederschwelligen Zugang zur parlamentarischen Arbeit und zur Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern mit modernen Mitteln bekannt. Gerne lächle ich bei dieser Gelegenheit auch einmal in die Kamera. Neben all diesen zukunftsweisenden Geschäften ist das Wahlverfahren für das Regierungspräsidium beinahe in den Hintergrund geraten. Ob die Wahl des Verfahrens richtig und praktikabel sein wird, wird sich im Herbst/ Winter zeigen. Über praktische Erfahrungen hat sich unter anderem das Ratsbüro letztes Jahr mit den parlamentarischen Spitzen des Berner Grossen Rates und des Berner Stadtrates ausgetauscht. Wir wollten vor allem wissen, was die Einführung eines bleibenden Regierungspräsidiums und die Verkleinerung des Grossen Rates für das Parlament bedeutet.
Wichtige Zeichen haben wir auch ausserhalb des Plenarsaales gesetzt. Am 8. März 2007 haben die vier Präsidentinnen des Kantons und der Bürgergemeinde unter dem Motto «Die Frau gehört ins Haus – ins Gemeindehaus, ins Rathaus und ins Regierungshaus» zu einem Abend im Grossen Rat geladen. Der Saal war zum Bersten voll, die Stimmung grossartig. Viele alte Kämpferinnen kamen zu Besuch und zeigten sich begeistert, dass Frauen für einmal alle höchsten politischen Ämter des Kantons bekleideten.
Ich hoffe, dass auch in der neuen Verfassungsperiode der Genderaspekt nicht aus den Augen verloren geht. Denn ich kann Ihnen sagen: Nicht nur der Zunftmeister zu Safran auch diverse von der Messe geladene Bundesrätinnen und Bundesräte sahen sich erstmalig umringt von vier kantonalen Präsidentinnen. Schön wäre, wenn solche Situationen künftig ebenso zur Normalität gehören würden, wie umgekehrt. 
Bei meiner Antrittsrede am 2. Februar 2007 habe ich die demokratische Partizipation an den Geschehnissen auf trinationaler Ebene angesprochen. Die Dreiländer-Region Basel wächst immer mehr zu einer polizentrischen Metropolitanregion zusammen. Noch sind das verbindende politische Netzwerk und die demokratische Partizipation der Menschen in diesem Gebiet wenig strukturiert. Gerade in Fragen der Stadtentwicklung zeigen sich die Knackpunkte solch primär national – oder auch kantonal und kommunal – ausgerichteter Strukturen. Diese ist für eine weitere Entwicklung des Raums Basel-Mulhouse-Freiburg mit seinen zwei Millionen Einwohnern, der grenzüberschreitenden Besiedlung und den trinationalen Wirtschaftsstandort sehr wichtig.
Erste Schritte in dieser Richtung sind getan: So trafen sich im September auf Einladung der Grossratspräsidentin erstmals die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der drei Nachbarstädte Basel, Freiburg und Mulhouse zum trinationalen Treffen. Im Zentrum der trinationalen Premiere stand die Überzeugung, dass der metropolitane Grossraum Basel-Mulhouse-Freiburg ökonomisch und kulturell noch grosses Entwicklungspotenzial habe. Dieses gelte es auszuschöpfen. Es gibt bereits viele Gemeinsamkeiten – der EuroAirport ist eine Art Symbol dafür, ebenso die Mitgliedschaft der Universitäten im EUCOR-Verbund und das gemeinsame Auftreten als Tourismusregion Oberrhein. Klar ist jedoch auch, dass sich diese Gemeinsamkeiten vertiefen, dass sich auch die Verbindungswege – etwa mit der Reaktivierung der Eisenbahnlinie Mulhouse-Freiburg – verbessern lassen. Entscheidend für die Zukunft wird sein, ob es gelingt, die urbanen Potenziale des trinationalen Raums auszuschöpfen. An Diskussionsstoff für die nun folgenden Treffen mangelt es nicht.
Wichtig ist mir auch hervorzuheben, dass die Zusammenarbeit mit den Präsidien des Kantons Basel-Landschaft in grosser kollegialer Freundschaft verlaufen ist. Dies zeigte sich nicht nur darin, dass gemeinsame Vorstösse, beispielsweise eine Überarbeitung der Behördenzusammenarbeit, ins Auge gefasst werden konnte. Gegenüber Dritten wurde auch immer wieder auf die zentralen Aufgaben und gemeinsamen Interessen der beiden Kantone verwiesen, so beispielsweise gegenüber dem Ständerat hinsichtlich der Basler Rheinhäfen.
Bei diversen Anlässen im nahen Ausland wurde zudem regelmässig ein interkantonales Carsharing mit Eco-Autos betrieben.
Zum Ratsbetrieb an sich ist rückblickend zu sagen: Trotz vieler Zwischenfragen besonders vor den Wahlen – die allerdings die Ratsdebatten meines Erachtens deutlich lebhafter gestalten, und der für meinen Geschmack oftmals etwas übertrieben vielen Voten bei der Überweisung von Anzügen, konnten wir im vergangenen Jahr eine beachtliche Effizienz an den Tag legen und sage und schreibe neun halbe Sitzungstage und vier Nachtsitzungen streichen.
Die Diskussionen waren insgesamt geprägt von gegenseitiger Toleranz und Anerkennung, zwischen Einzelpersonen, unter den Parteien und gegenüber der Regierung. Trotz unterschiedlicher Ansichten in der Sache wurden die politischen Diskussionen über weite Strecken fair und mit gegenseitigem Respekt geführt. Diese Haltung war für fast alle eine Selbstverständlichkeit. Darauf dürfen wir als Parlament durchaus stolz sein. Sie alle haben sich ein weiteres Jahr mit grossem Engagement und Zeitaufwand in verdankenswerter Weise für das Wohl unseres Kantons und unserer Bevölkerung eingesetzt.

Ich komme zu den Danksagungen.
Einen allerherzlichsten Dank möchte ich bei dieser Gelegenheit an mein persönliches Umfeld für die Unterstützung während des Jahres aussprechen – vor allem aber an meinen Lebenspartner Klaus Hubmann, ohne dessen tatkräftige Unterstützung, Liebe und Freundschaft ich dieses Amt wohl nicht hätte ausüben können. Ebenso danke ich Urs Müller und seiner Familie, sowie der ehemaligen Verfassungsratspräsidentin Irene Amstutz und dem ehemaligen Grossratspräsidenten Markus Ritter für ihre Unterstützung. Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, kann ich ebenfalls für Ihre Loyalität und Unterstützung danken... Dazu aber morgen Abend mehr... 
Ansonsten möchte ich wie meine Vorgängerin Beatrice Inglin an dieser Stelle bemerken: Sie haben mir das breite Spektrum an parlamentarischem Instrumentarium in besonderer Weise nähergebracht. Genutzt haben Sie auch in diesem Jahr beinahe das ganze Repertoire, das einem Parlament zur Verfügung steht: vom Antrag auf eine Spezialkommission und dringlichen Traktandierungen, zweiten Lesungen und Rückweisungen in die Kommission über Resolutionen bis zu komplizierten Abstimmungsprozedere. Es gab Stichentscheide, Ermahnungen zu Anstand, Richtigstellungen, und ich darf zum Schluss meiner Amtsperiode erst noch nach Verletzungen der Geheimhaltungspflicht fahnden. Das alles war spannend, und ich kann Ihnen versichern, auch mir wurde es nie langweilig!
Während des ganzen Amtsjahres besonders aber im Herbst letzten Jahres durfte ich auf die Hilfsbereitschaft und den Beistand des Parlamentsdienstes (vor allem Thomas Dähler, Barbara Schüpbach und Sabine Canton) sowie des Statthalters Roland Stark zählen, was ich sehr zu schätzen weiss. Zum Ratsgeschäft gehören auch Walter Schleiss, Roland Schaad, Margrit Rünzi und Peter Fischer – sie machen uns das Ratsleben leichter. Ihnen sei hier im Namen aller gedankt.
Weiter danke ich der Regierung für die gute und konstruktive Zusammenarbeit. Mit Eva Herzog als Regierungspräsidentin kam ich in diesem Jahr in den Genuss von erfrischenden Ansprachen über den Wert des Bankbüchleins und anderem. Ich habe die Reden sehr genossen.
Zu guter Letzt allerdings einen ganz besonderen Dank an all die Veranstalterinnen und Veranstalter, an deren Anlässen ich im vergangenen Jahr teilnehmen durfte. Ich habe die besuchten Veranstaltungen noch nicht gezählt, aber in dieser Zeit haben sich sieben Bundesordner mit Einladungen und Informationsmaterial gefüllt. Den Vertreterinnen und Vertretern von Kunst und Kultur, Bildung, Sport, sozialen, religiösen oder gesellschaftlichen Vereinen, Zünften, Gewerkschaften und Unternehmen, Lobbyorganisationen, regionalen, überregionalen und internationalen Netzwerken gebührt ein Dank dafür, dass sie mir einen Einblick in ihr Tun gegeben haben und ich so viele Facetten unseres Kantons erleben durfte … Ich bin tief beeindruckt und kann durchgängig nur von positiven Erfahrungen berichten.
Umso mehr freue ich mich, wieder persönlich politisch aktiv zu werden und die an mich herangetragenen Sorgen und Nöte, vor allem aber auch Hoffnungen und Ideen ins Parlament zurücktragen zu dürfen.
Damit verabschiede ich mich als Grossratspräsidentin und beende die letzte Sitzung des zweiten Amtsjahres der ersten Legislaturperiode des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt seit der Verfassung von 2006. Ich wünsche meinem Statthalter und Nachfolger Roland Stark und uns allen viel Erfolg und eine weiterhin so fruchtbare Zusammenarbeit.

Erfahrungen als Grossratspräsidentin 2007/08. Ein Interview mit Martin Flückiger im «BastA!–Bulletin»:

«Mein Blick auf Basel hat sich verändert.»
Brigitta Gerber war für ein Jahr die höchste Baslerin. Sie hat dieses Amt mit viel Engagement und grosser Kompetenz wahrgenommen. Wir wollten von ihr wissen, wie sie ihre Amtszeit als Grossratspräsidentin erlebt hat. Die Fragen stellte Martin Flückiger.

M.F.: Brigitta, wenn du auf dein Amtsjahr zurückblickst: Welche Begegnungen, welche Erfahrungen haben bei dir einen bleibenden Eindruck hinterlassen? 
Brigitta Gerber: Ich glaube, es macht keinen Sinn, einzelne Ereignisse zu nennen. Ich könnte mich nicht festlegen. Es war vor allem die Vielfalt, die gesamte Palette, die ein unglaublich grosses soziales Engagement unserer Bevölkerung zeigt. Sie haben meinen Blick auf Basel verändert. Heute habe ich – ausser bei der Frage «Netzwerke, Gender und Karriere» – hinsichtlich den ewigen Beschwerden, man sei in Basel so entfremdet, weniger Verständnis. Es sind vielleicht nicht meine Netzwerke, aber es gibt in dieser Stadt die unterschiedlichsten Möglichkeiten, sich zu engagieren und sich wohlzufühlen. Die meisten Leute tun dies auch, und sie dürfen stolz darauf sein.

M.F.: Als Ratspräsidentin konntest du zweimal das Zünglein an der Waage spielen und den Stichentscheid geben. Um welche Geschäfte ging es da? 
Ja. Beim ersten mal ging es darum, ob jugendliche Straffällige ihre Strafe getrennt absitzen oder zusammen mit Erwachsenen untergebracht werden sollen. Bisher gibt es in der Schweiz keine speziellen Einrichtungen für Jugendliche, aber bis in zehn Jahren müssen alle Kantone entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten bereitstellen. Der Regierungsrat wollte vorerst noch abwarten und den Bedarf eruieren. Dies hat mich nicht überzeugt. Aus grundrechtlichen Überlegungen hab ich den Stichentscheid zugunsten des Antrages von Tanja Soland gegeben. Den zweiten Stichentscheid hatte ich im letzten Dezember bei der Verhandlung um das Steuerpaket. Ausserhalb der vier Grundpfeiler, über die sich die Parteien ja bereits geeinigt hatten, hat die Sachkommission des Grossen Rates noch eine spezifische Dividendenentlastung dem Paket hinzugefügt. Mit meinem Stichentscheid konnte diese wieder herausgestrichen werden. Inzwischen hat mir sogar eine Mehrheit der Basler Bevölkerung recht gegeben. So wurde bei der letzten Abstimmung die Unternehmenssteuerreform des Bundes – ebenfalls Dividendenbesteuerung – in Basel–Stadt mit beinahe 60 Prozent abgelehnt. Neben der Leitung der Grossratssitzungen gehört es zu den Aufgaben einer Ratspräsidentin, Repräsentationspflichten wahrzunehmen.

An ungefähr wie vielen Anlässen bist du während deines Amtsjahres aufgetreten? Und welche Anliegen hast du an diesen Anlässen vor allem angesprochen? 
Ich habe sie nicht gezählt. Die Einladungen und Unterlagen zu den Anlässen haben in sieben Bundesordnern Platz gefunden. Als oberste Vertreterin der Legislative und des Kantons habe ich vor allem zu Themen wie demokratisches Gleichgewicht zwischen den Generationen, Ausländerstimmrecht, aber auch die immer noch zu geringe Partizipation von Frauen im Parlament und in mittleren und oberen Führungsgremien gesprochen und/oder über die mangelnde demokratische Legitimation bei der Entwicklung unserer Metropolitanregion über drei Länder hinweg. Je nach Publikum auch über urbane Interessen im Bereich Umwelt – oder ich habe den GastgeberInnen auch einfach nur im Namen des Grossen Rates für das soziale Engagement in dieser Stadt danken dürfen.

Kannst du uns verraten, wo es den besten Wein gab? 
Tja, ich gestehe es nicht gerne ein, aber beim Vorgesetztenessen der Zunft zu Weinleuten war der Wein ausserordentlich gut. Leider sind da keine Frauen zugelassen und können höchstens als Gast geladen werden, wenn sie zum Beispiel Ratspräsidentin sind. So können von uns Frauen theoretisch vielleicht ein paar, praktisch wohl ganz wenige in den Genuss einer Einladung kommen. Ich habe aber Menu und Weinfolge auf Papier aufbewahrt und gebe Neugierigen und KellereibesucherInnen gerne Auskunft.

Dein Amtsjahr ist nun zu Ende. Lachen deine Augen oder weinen sie? 
Das Amtsjahr war, wenn auch einzigartig, zeitlich recht aufwändig. Ich war meist sechs von sieben Abenden der Woche als Präsidentin unterwegs. Ich freue mich deshalb ausserordentlich, wieder privat Freundinnen und Freunde zum Nachtessen einzuladen und wieder ins Kino oder Theater gehen zu können. Dann haben die ganzen Sitzungen und Reden natürlich auch viel Aufwand erfordert. Deshalb freu ich mich, mein Büro wieder anzukurbeln und inhaltlich zu arbeiten. Fazit: Ein Jahr ist toll, eine zeitliche Begrenzung sehr sinnvoll.

Brigitta, wir danken dir für dein grosses Engagement und wünschen dir für die Zukunft alles Gute.
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